Der Gestalttherapeut arbeitet mit dem Dialog zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen, wie zum Beispiel dem „inneren Kind“ und dem „inneren Kritiker“. Ziel ist es, innere Konflikte zu bearbeiten und die innere Harmonie herzustellen, um in die eigene Kraft zu kommen und die Ausstrahlung als „runde“ und in sich ruhende Persönlichkeit zu erlangen.
In der sogenannten Stuhlarbeit geht es zum Beispiel darum, innere Spannungsfelder aufzulösen, Entscheidungen zu treffen oder Botschaften des Körpers zu ergründen. Aber es geht auch darum, durch den Perspektivenwechsel Klärung zu ermöglichen und Konflikte mit anderen Menschen zu lösen. Weitere Methoden sind die Arbeit mit Träumen, mit der eigenen Lebensbiographie als Kraftquelle, mit Signalen, Botschaften und Reaktionen des Körpers sowie gegebenenfalls mit deren Veränderung.
Die Gestalttherapie nutzt kreative Methoden wie Malen und sie lässt uns unsere männlichen und weiblichen Anteile erkennen und in Harmonie bringen. Auch dem Experimentieren mit neuen Verhaltensweisen kommt eine große Bedeutung zu. Ebenso entscheidend ist es, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu lernen, anderen gegenüber Grenzen zu setzen. Außerdem geht es um Anerkennen und Integrieren von nicht geliebten eigenen Persönlichkeitsanteilen.
Vor allem aber arbeitet die Gestalttherapie mit Achtsamkeit und Präsenz im Gespräch zwischen Klient und Therapeut.
Oft sind es die kleinen Beobachtungen, die der Therapeut macht, auf die es ankommt. Allein dieses Bewusstmachen von unbewusst gemachten Aussagen oder Gesten kann bereits zur Auflösung führen. Kleine bewusst herbeigeführte Veränderungen in einer Betonung, in der Stimme oder der Gestik des Klienten können manchmal ausreichen, um einen Knoten zu lösen oder etwas in Fluss zu bringen. Das macht für mich nach wie vor das Faszinierende, den „Zauber“ der Gestalttherapie aus. Gestalttherapie lässt etwas bewusst werden und bereits dadurch tritt Veränderung ein. Man könnte sagen: Gestalttherapie arbeitet nicht mit spektakulären Methoden sondern mit Achtsamkeit im Hier und Jetzt. Oft sind es eben die kleinen Veränderungen, die eine große Wirkung haben.
Die Gestalttherapie geht davon aus, dass jeder Mensch OK ist und alle erforderlichen Ressourcen in sich trägt. Der Therapeut unterstützt den Klienten dabei, selber neue Wege zu finden. Er gibt keine Patentrezepte und hat nicht den Anspruch, es besser zu wissen oder immer die richtige Lösung zu haben. Und er hat keine Theorien im Hinterkopf, in die er den Klienten einsortiert. Der Therapeut interpretiert nicht seine Beobachtung, sondern überlässt es dem Klienten, der Beobachtung eine Bedeutung zu geben.
Im Vordergrund stehen die Lebendigkeit in der therapeutischen Arbeit, die Empathie gegenüber dem Klienten und die Akzeptanz des Klienten so wie er ist. Entscheidend für die Gestalttherapie ist eine wertschätzende Beziehung zwischen Klient und Therapeut und dass der Therapeut dem Klienten nicht als überlegener Experte begegnet, sondern ihn partnerschaftlich begleitet. Kein urteilen, kein beurteilen, kein Denken in Gut und Schlecht, richtig und falsch. Es ist OK, nicht perfekt zu sein. Oder: du bist OK so wie du jetzt bist.
Text © 2011 Jürgen Heinrich